Hand aufs Herz: Bedienen Sie sich heutzutage bei feierlichen Anlässen im Freundes- und Familienkreis noch Ihres besten Kleidungsstückes von anno dazumal, nämlich Ihres Hochzeitsanzuges? Führen Sie das betagte Kleidungsstück stolz vor und erfreuen Sie sich an anerkennenden und wertschätzenden Rückmeldungen?
Anderes Beispiel: Genießen Sie seit 25 Jahren Ihren wohlverdienten Urlaub jedes Jahr in der gewohnten Urlaubsdestination? Sieht es in Ihrer Urlaubsdestination noch genauso aus wie vor 25 Jahren? Hat es damals schon einen Spa-Bereich gegeben? Entsprechen die Ortsdurchfahrt und die Parkplatzregelungen noch dem Stand wie vor 25 Jahren? Wieviel ist gleich geblieben und wieviel hat sich verändert? Und dennoch heißt der Ort, und möglicherweise auch das Hotel, so wie anno dazumal.
Mein persönliches Lieblingsbeispiel ist die Donau. Das Wasser der Donau, das zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Blogbeitrages gerade durch Wien fließt, befindet sich zu dem Zeitpunkt, wo sie diesen Blogbeitrag lesen, bereits längst im Schwarzen Meer. Wir nennen diesen Fluss Donau. Obwohl das, was die Donau ausmacht, diese gewaltigen Wassermassen, gar nicht mehr da sind.
Wir Menschen halten gerne an Bewährtem, Bekanntem und Vertrautem lange fest. Oft sagt uns unser Hausverstand oder auch unsere Ratio bereits, dass es Zeit für Neues und Veränderung wäre. Aber nein, wir halten beständig das Vergangene, das Abgelaufene, das Vorbeigeflossene (siehe Donau) fest und suchen die Sicherheit.
Und jetzt die schlechte Nachricht: das kann uns Kopf und Kragen kosten!
Anpassen bedeutet Überleben. Die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend handeln, sichert unseren Fortbestand. So emotional bedeutend unser Hochzeitsanzug für uns ist, so blamabel erscheint er im Kontext einer Feierlichkeit des Jahres 2018.
Heraklits Aussage, „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“, zeugt nach 2500 Jahren von einer scheinbar zeitlosen Gültigkeit. Kein Satz könnte die derzeitigen individuellen und organisationalen Veränderungen unserer Gesellschaft treffsicherer beschreiben. Vielen Menschen mögen die Konstanten in unserer Gesellschaft fehlen, dennoch: Die Sicherheiten der Vergangenheit bestehen nicht ihre Überprüfungen an der Eintrittspforte der Zukunft. Der permanente Wissenszuwachs, die Digitalisierung, die Globalisierung und der demografische Wandel verändern unsere Gesellschaft wie Brandbeschleuniger und prägen die Zukunft.
Und damit sind wir bereits mitten in Veränderungsprozessen. Die Umgebungen unserer Organisationen ändern sich: Kunden verändern ihre Geschäftsmodelle; neue Kunden mit digitalen Geschäftsmodellen tauchen auf und wollen anschlussfähige Dienstleistungen. Unsere Organisationen ändern sich: langjährige KollegInnen nehmen gesellschaftliche Trends auf und suchen nach Umsetzung am Arbeitsplatz; potenzielle MitarbeiterInnen fordern mobiles Arbeiten, zeitliche und räumliche Flexibilität, ansonsten werden wir nicht der Arbeitgeber ihrer Wahl sein.
Veränderung ist ein Prozess, kein (Um)Schalter zwischen 0 und 1. Veränderungen in Ihrer Organisation brauchen zuerst einen triftigen Grund. Simon Sinek nennt es plakativ „Start with Why“. Dieses „Why“, warum etwas verändert werden sollte, warum es nicht beim Alten (Hochzeitsanzug) bleiben kann, muss durch Mark und Bein gehen. Es muss erschüttern und aufrütteln, das ist die Energie für die Bewegung und die Veränderung.
Ihren MitarbeiterInnen die Veränderungen in den Umwelten nicht zuzumuten, ihre MitarbeiterInnen abzuschotten, sie beschützen zu wollen, wäre fatal. Für alle Beteiligten.
Ihre MitarbeiterInnen an der Veränderung teilhaben zu lassen, ist die Lösung.
Die Herausforderung liegt vor allem darin, das Unvermeidbare positiv zu gestalten und zu nutzen. Niemand wird gerne verändert, fast niemand verlässt gerne seine Komfortzone, aber die meisten Menschen gestalten gerne mit. Reinen Wein einschenken mobilisiert Kräfte.
Klar ist, mit den Widerständen oder Ängsten von Mitarbeitern professionell umgehen zu können, ist ein Handwerk, das von Führungskräften und Mitarbeitern gelernt und beherrscht werden kann.
MitarbeiterInnen in Veränderungsprozessen „abzuholen und „mitzunehmen“ ist zwar nicht neu, aber immer noch elementar. Es bedeutet nichts anderes, als das Augenmerk vor allem auf die MitarbeiterInnen zu lenken. Sie sind immer noch das Wertvollste, das Organisationen haben.
Was lernen wir jetzt aus den Beispielen des verblichenen Hochzeitsanzuges und der langjährigen Urlaubsdestination? Irgendwann hat Ihre Organisation irgendwo irgendwie begonnen. Die Errungenschaften Ihrer organisationalen Geschichte sind das Fundament, auf dem Sie heute stehen. Das bedeutet: am jährlichen Hochzeitstag den Anzug vom Staub befreien (oder aus der Kleiderhülle holen), das Kleidungsstück bestaunen und sich Geschichten von der Hochzeit erzählen, ist nicht nostalgisch, sondern relevant. Die Würdigung des Erreichten und der Personen, die es erreicht haben, bildet das Rückgrat der Zukunft. In Ihre gewohnte Urlaubsdestination zu fahren und davon auszugehen, dass alles beim Alten geblieben ist, wäre aber vollkommen weltfremd. Worauf es jetzt ankommt: Die Zeichen der Zeit erkennen, sie richtig deuten, wachsam sein und schlau handeln, um das Überleben, das Überleben Ihrer Organisation zu sichern, ist kritisch. Mutige Entscheidungen für das Neue, das Unbekannte, die unsichere Zukunft zu treffen, ist gefragt. Mit dem Change umzugehen, kann man tatsächlich lernen.
Und wie ist das mit der Donau? Ach, das ist doch ein ganz anderes Thema. Oder etwa nicht?
Zum Autor
Christian Hauser, MSc (BRAINS AND GAMES) berät Organisationen als HR- und New Work-Experte in Change Projekten. Zuletzt war er für Samsung Electronics als Senior Head of HR mit Schwerpunkt Performance- und Talentmanagement, Organisationskultur und Arbeitsrecht tätig. Vor Samsung Electronics hat Hauser für Microsoft, ACP Holding und DELL in leitenden Positionen gearbeitet. Christian Hauser ist systemischer Coach, Supervisor und Organisationsentwickler (ÖVS) und hat Erfahrungen als Trainer und Personalberater. Im Rahmen einer beruflichen Auszeit hat er sich intensiv dem Thema der neuen Organisationsformen gewidmet und eine Masterarbeit zum Thema verfasst.
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Auf der Fachveranstaltung für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, TAXPO18, am 22. November 2018 in den Räumlichkeiten von Microsoft Österreich, spricht Christian Hauser in seinem Vortrag über das Thema „Qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und halten“.
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